Ein Spin-Off der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
27. Jahrgang (2024) - Ausgabe 4 (April) - ISSN 1619-2389
 

Managerhaftung in Auslandsgesellschaften -
Ein Blick nach Großbritannien und in die USA

von Dr. Christian Rödl

Überblick

International operierende mittelständische Unternehmen ebenso wie multinationale Konzerne neigen dazu, Führungskräfte, regelmäßig auch als Mitglieder der Leitungsgremien von Konzernunternehmen in anderen Ländern einzusetzen. Zu dieser Lösung wird nicht immer deshalb gegriffen, weil der jeweilige Mitarbeiter tatsächlich den Auftrag erhalten soll, vor Ort Leitungsfunktionen wahrzunehmen. Vielmehr ist in nicht wenigen Fällen Auslöser auch die Verlegenheit, keinen lokalen Mitarbeiter für das Amt begeistern zu können oder für entsprechend vertrauenswürdig zu halten.

In nicht wenigen Fällen übernehmen Führungskräfte so Leitungsfunktionen im Ausland, ohne tatsächlich vor Ort Kontrolle ausüben zu können. Ihre Tätigkeit ändert sich weder inhaltlich noch räumlich. Mit diesem Verfahren sind aber in den Rechtsordnungen praktisch aller wichtigen Industrienationen persönliche Haftungsrisiken verbunden, deren sich nur wenige bewusst sind.

Auch wenn die im Ausland übernommene Leitungsfunktion tatsächlich mit einem dauerhaften Einsatz vor Ort verbunden ist, lohnen die Unterschiede zur deutschen Rechtslage eine nähere Prüfung der mit diesem Einsatz verbundenen besonderen Risiken. Nahezu alle Rechtsordnungen weltweit kennen Grundsätze der persönlichen Haftung von geschäftsleitenden Gesellschaftsorganen, die sich grob wie folgt zusammenfassen lassen:

  • Zivilrechtliche Innenhaftung: Der Geschäftsleiter haftet grundsätzlich im Innenverhältnis, also gegenüber der jeweiligen Landesgesellschaft selbst, für alle Verstöße gegen Gesetz oder Gesellschaftsvertrag, die der Gesellschaft Schaden verursachen. Dieses Haftungsrisiko wird praktisch aktuell, wenn Konflikte zwischen Geschäftsleiter und der Gesellschafterin auftreten oder die Landesgesellschaft der Kontrolle der Gesellschafterin – etwa durch ein Insolvenzverfahren – entzogen wird.
  • Zivilrechtliche Außenhaftung: Daneben haftet der Geschäftsleiter im Außenverhältnis jedem Dritten, dem er durch sein eigenes Verhalten schuldhaft Schaden zugefügt hat. Insoweit haftet er ggf. als Gesamtschuldner neben der Gesellschaft.
  • Strafrechtliche Haftung: Einerseits kann die Haftung zivilrechtlicher Natur und damit regelmäßig auf die persönliche Pflicht zur Schadensersatzleistung gerichtet sein. Andererseits kann sie in wichtigen Fällen auch strafrechtlicher Natur sein. Anders als das zivilrechtliche ist das strafrechtliche Haftungsrisiko weltweit nicht durch eine Managerhaftpflichtversicherung absicherbar.

Wichtig ist daher - neben der genauen Prüfung der im jeweiligen Land mit der gesellschaftsrechtlichen Organstellung verbundenen zivil- und strafrechtlichen Haftungsfolgen - die genaue Kenntnis der jeweiligen nationalen Praxis der Gerichte, vor allem soweit es um strafrechtliche Haftungsrisiken geht. So sind etwa in Frankreich mit der Position des Geschäftsleiters umfassende strafrechtlich bewehrte Pflichten insbesondere im Arbeitsrecht verbunden. Diese werden abhängig vom arbeitsrechtlichen Regelungsbereich auch tatsächlich regelmäßig verfolgt. In anderen Ländern konzentrieren sich in der Praxis Haftungsrisiken auf den Insolvenzfall. Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die Grundsätze der Managerhaftung in Großbritannien und in den USA gegeben.

Managerhaftung in Großbritannien

Wie kaum eine andere Rechtsordnung hat die Großbritanniens die weltweite Debatte um die Grundsätze guter Unternehmensführung (Corporate Governance) aufgenommen und – der hier großen Bedeutung börsennotierter Unternehmen entsprechend – in Regelungsvorhaben gegossen. Diese prägen die aktuelle Diskussion um Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Leitungsorgane britischer (börsennotierter) Unternehmen.

Dabei macht sich auch die Wirkung des angelsächsischen Einheitsprinzips – keine Trennung von Vorstand und Aufsichtsrat – bemerkbar. Erst im Rahmen dieser Debatte wurde durch den Gesetzgeber etwa nahegelegt, dass dem Leitungsgremium einer börsennotierten Gesellschaft mindestens drei Mitglieder angehören sollten, die nicht aktiv als bezahlte Mitarbeiter an der Geschäftsleitung der Gesellschaft teilnehmen, sondern Überwachungs- und Beratungsfunktion wahrnehmen sollten (non-executive directors).

Wer haftet?

Unter den dem englischen Gesellschaftsrecht bekannten Rechtsformen besitzt die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (private limited company, Ltd.) überragende Bedeutung. Nicht als eigene Rechtsform gegenüber dieser Limited, sondern im Wesentlichen allein hinsichtlich des Mindestkapitals anspruchsvoller ausgestaltet ist die Unterform der public limited company (plc). Deren Anteile können auch zum Börsenhandel zugelassen werden. Ob Limited oder plc, die Gesellschaft wird geleitet durch Geschäftsführer (directors), deren Zahl von den Gesellschaftern frei bestimmt werden kann. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, bilden sie gemeinsam das Leitungsgremium (board of directors).

Der daneben vorgeschriebene "secretary", der traditionell das Gesellschaftssiegel führt und dessen Stellung am ehesten mit der eines unternehmensinternen Notars verglichen werden kann, haftet in erster Linie für die Verletzung von Hinterlegungs- und Anzeigepflichten gegenüber dem Handelsregister (Companies House).

Zivilrechtliche Innenhaftung

Nach den Grundsätzen des richterrechtlichen "common law" ist der Geschäftsführer einer Gesellschaft ihr gegenüber zur sorgfältigen Wahrnehmung ihrer Interessen verpflichtet. Diese Verantwortlichkeit gilt grundsätzlich auch für solche directors, die nicht aktiv an der täglichen Geschäftsleitung teilnehmen. Die Haftung des Geschäftsführers trifft auch den faktischen Geschäftsführer, der als solcher handelt, ohne förmlich bestellt worden zu sein (shadow director). Für den anzuwendenden Sorgfaltsmaßstab haben englische Gerichte wiederholt festgestellt, dass maßgebend das ist, was nach der Einschätzung des Geschäftsführers – nicht nach derjenigen eines Gerichts – im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft liegt und dass Geschäftsführer nicht für bloße Fehleinschätzungen haften.

Der britische Gesetzgeber hat seit 1998 einen Diskussionsprozeß über die Pflichten von Geschäftsführern in Gang gesetzt, dessen aktueller Stand in Form einer Liste von künftig voraussichtlich kodifizierten Handlungsgrundsätzen vorliegt. Nach diesem Weißbuch der britischen Regierung sind davon u.a. folgende Pflichten erfaßt:

  • Beachtung des Gesellschaftsvertrages, bestimmungsgemäßer Gebrauch der Vertretungsmacht;
  • Förderung der Unternehmensziele unter Berücksichtigung der mittel- und langfristigen Folgen dieses Handelns;
  • Delegierung von Aufgaben nur im gesellschaftsvertraglich zugelassenen Rahmen;
  • allgemein anzulegender Handlungsmaßstab ist die Sorgfalt einer vernünftigen Person mit den Fähigkeiten, Erfahrungen und Kenntnissen des jeweiligen Geschäftsführers (höhere Anforderungen an besonders qualifizierte Personen);
  • Verbot von Handlungen, die Konflikte mit Eigeninteressen bedeuten können;
  • Verbot der Vorteilsannahme von Seiten Dritter.

Es ist damit zu rechnen, dass diese Verpflichtungen in das britische Gesellschaftsgesetz Eingang finden werden. Die genauen Verantwortlichkeiten der Geschäftsführer im Innenverhältnis werden bislang aus den genannten allgemeinen Rechtsgrundsätzen des common law (Richterrecht) und den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages abgeleitet.

Beispiel: Der nach dem Gesellschaftsvertrag durch einen bestimmten Gesellschafter ernannte Geschäftsführer kann mit diesem Gesellschafter nicht vereinbaren, im Leitungsgremium nach dessen Weisungen abzustimmen, selbst wenn das Votum an sich nicht gegen die Interessen der Gesellschaft verstieße. Wohl aber kann er für den Abschluss eines Vertrages zwischen der Gesellschaft und einem Gesellschafter stimmen, aufgrund dessen die Geschäftsführer den Weisungen des Gesellschafters entsprechend stimmen müssen.

Zivilrechtliche Außenhaftung

Geschäftsführer haften grundsätzlich nur der Gesellschaft. Im Außenverhältnis ist ihre Haftung auf Fälle beschränkt, in denen sie – in Großbritannien nicht völlig außergewöhnlich – aufgrund entsprechender ausdrücklicher Zusage persönlich ausdrücklich für Verpflichtungen der Gesellschaft garantieren oder aufgrund ihres Verhaltens persönlich einem Dritten Schaden zufügen. Dies ist regelmäßig im Insolvenzfall relevant, auch dort aber praktisch selten durch außenstehende Gläubiger nachweisbar.

Der Abschluss von Managerhaftpflichtversicherungen (D&O Policies) ist in Großbritannien außerordentlich weit verbreitet. Für börsennotierte Gesellschaften wird inzwischen ein entsprechender mittelbar verbindlicher Standard gefordert. Berufsorganisationen für Company Secretaries haben detaillierte Handlungsempfehlungen zu Art und Umfang des gebotenen Versicherungsschutzes herausgegeben.

Strafrechtliche Haftung

Der Geschäftsführer einer Gesellschaft kann sowohl zivilrechtlich auf Schadensersatz als auch strafrechtlich u.a. in folgenden Fällen haften:

  • nach dem Insolvenzgesetz für die Fortführung eines Geschäftsbetriebs in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Tatsache, dass die Gesellschaft die Liquidation aufgrund Insolvenz nicht würde vermeiden können oder für die Fortführung eines Geschäftsbetriebs in der Absicht, Gläubiger insoweit zu schädigen, als ihm bewusst war, dass die Gesellschaft nicht über ausreichende Mittel zur Befriedigung ihrer Forderungen verfügen würde;
  • nach den Arbeits- und Umweltschutzvorschriften des britischen Rechts für den Fall des Nachweises, dass der Director zu dem Verstoß durch Zustimmung, stillschweigende Duldung oder fahrlässiges Unterlassen beigetragen hat;
  • nach den Bestimmungen des Directors Disqualification Act für den Fall der Wahrnehmung des Amtes trotz Verstoßes gegen ein gesetzliches Amtsverbot;
  • nach den Bestimmungen des britischen Wettbewerbsrechts und des britischen Wertpapierhandelsrechts.

Managerhaftung in den USA

Das dem Vorbild Großbritanniens im Wesentlichen folgende System des Gesellschaftsrechts der USA und ihrer Bundesstaaten teilt mit dem britischen die traditionelle Zurückhaltung in der unmittelbaren Inanspruchnahme des Leitungspersonals. Diese Haltung wurde durch die Folgen des Enron-Falls - insbesondere durch das zu besonderer Bekanntheit gelangte Sarbanes-Oxley-Gesetz - nur in Einzelpunkten aufgegeben.

Wer haftet?

Neben den erst in jüngerer Vergangenheit entwickelten Gesellschaftsformen der Limited Liability Company (LLC) und der Limited Liability Partnership (LLP), deren Leitungsstruktur grundsätzlich durch die personengesellschaftliche Selbstorganschaft geprägt ist, besitzt gerade für ausländische Investoren die Corporation herausragende praktische Bedeutung. Das von den Gesellschaftern gewählte Leitungsgremium der Corporation (Board of Directors) bestimmt aus seinen Reihen einen Vorsitzenden (Chairman of the Board) und diejenigen Geschäftsleiter, die das Tagesgeschäft der Gesellschaft verantworten (Officers). Unter diesen werden regelmäßig ein "President", ein oder mehrere "Vice-Presidents", ein "Treasurer" und ein "Secretary" bestimmt.

Der President kann vorrangig vor den Directors in Anspruch zu nehmen sein. Beispiel: Der President einer Corporation veruntreut Mittel der Gesellschaft. Der Insolvenzverwalter hat vorrangig ihn, subsidiär die Directors in Anspruch zu nehmen. Die gleichzeitige Wahrnehmung eines Amts als Director und die Tätigkeit als Officer ist möglich, führt aber regelmäßig zu einem strengeren Sorgfaltsmaßstab.

Haftung im Innenverhältnis

Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben sind alle Directors bestimmten Sorgfalts- und Treuepflichten unterworfen, die auf die Wahrung der Interessen der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter gerichtet sind. Diese dem common law entnommenen Maßstäbe werden durch den ebenfalls richterrechtlich entwickelten Grundsatz eingeschränkt, dass Gerichte grundsätzlich unternehmerische Entscheidungen nicht in Frage stellen - vorausgesetzt das Management hat ein Mindestmaß an Anstrengungen unternommen, eine durch hinreichende Informationen fundierte Entscheidung zu treffen (Business Judgment Rule).

Für einen Verstoß gegen diesen Grundsatz wird regelmäßig mehr als nur einfache Fahrlässigkeit verlangt, maßgeblich ist die Sorgfalt eines durchschnittlich gewissenhaften Menschen. Ein haftungsauslösender Pflichtverstoß wird danach vor allem dann angenommen, wenn

  • die Directors überhaupt keine Entscheidung getroffen haben (und dies der Gesellschaft Schaden zugefügt hat);
  • die Entscheidung der Directors nicht auf der Grundlage hinreichender Information getroffen wurde;
  • die Directors nicht unparteiisch oder unabhängig in ihrer Entscheidung waren;
  • die Directors grob fahrlässig (grossly negligent) gehandelt haben.

Die Fälle der tatsächlichen persönlichen Inanspruchnahme auf dieser Grundlage sind, wie Untersuchungen in der Folge des Enron-Falls gezeigt haben, selten. Der Sarbanes-Oxley Act von 2002 hat insoweit die durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätze dennoch im Wesentlichen nur bestätigt. Es wird vor allem die Pflicht betont, als Mitglied des Leitungsgremiums einer Gesellschaft aktiv Erkundigungen über die tatsächlichen Verhältnisse und Grundlagen der eigenen Entscheidungen einzuholen. Danach wirken fehlendes Interesse an der tatsächlichen Wahrnehmung des Amts, fehlende Kenntnisse oder die wegen der Größe des Unternehmens kaum zu bewältigende Fülle der verfügbaren Informationen nicht haftungsbefreiend.

Für Directors und Officers von US-börsennotierten Unternehmen hat die gesetzliche Neuregelung erhebliche praktische Bedeutung insbesondere durch die Pflicht, bei der Securities and Exchange Commission (SEC) hinterlegungspflichtige Dokumente wie Jahresabschlüsse persönlich zeichnen und verantworten zu müssen. Beispiel: Die körperlich gebrechliche Mrs. Pritchard gehörte neben ihren beiden Söhnen dem Board of Directors an. Beide Söhne veruntreuten Mittel der Gesellschaft, indem sie sich Darlehen auszahlten, die die Umsätze der Gesellschaft bei weitem überstiegen. Diese wurden nie zurückgezahlt und hatten schließlich den Konkurs der Gesellschaft zur Folge. Das Gericht machte Mrs. Pritchard persönlich gegenüber den Gesellschaftern haftbar, weil sie "nicht die leiseste Anstrengung unternommen" hatte, ihr Amt effektiv wahrzunehmen.

Praxishinweis:

Für die persönliche Haftung der Directors gegenüber den Gesellschaftern
ist Voraussetzung nach dem Recht der meisten Bundesstaaten, dass der
Gesellschaft durch das Verhalten des Directors ein Schaden entstanden ist
(anders z.B. in New York).

Außenhaftung

Die Durchgriffshaftung auf Directors und Officers einer Gesellschaft durch einen außenstehenden Dritten ist nach dem Verständnis des US-amerikanischen Rechts grundsätzlich ausgeschlossen, soweit der Dritte nicht nachweist, dass

  • der Director oder Officer die persönliche Haftung ausdrücklich übernommen hat;

Anmerkung: Kein Ausschluss persönlicher Haftung bei ausdrücklich persönlicher Mitunterzeichnung eines Darlehensvertrages allein dadurch, dass der persönlichen Unterschrift der Hinweis "pres." angefügt wird.

  • treuwidrig gehandelt hat (etwa indem er unter Vorspiegelung falscher Tatsachen den Dritten zum Vertragsschluss mit der tatsächlich zahlungsunfähigen Gesellschaft verleitet hat) oder
  • sonst persönlich eine schädigende Handlung begangen hat.

Anmerkung: Für die Annahme einer eigenen schädigenden Handlung kann es ausreichen, dass der Director oder Officer die Handlung stillschweigend geduldet hat.

Nicht auf dieser Rechtsgrundlage, sondern auf der ungenügenden Kapitalausstattung der Gesellschaft oder dem Missbrauch der Gesellschaftsform für betrügerische Zwecke beruhen dagegen die Grundsätze der Durchgriffshaftung des Gesellschafters selbst ("piercing the corporate veil"). Die persönliche Haftung der Directors und Officers beruht auf der Verletzung eigener Verpflichtungen gegenüber dem Dritten. Nach denselben Maßstäben bestimmt sich die strafrechtliche Verantwortlichkeit.

Quelle

Dieser Fachbeitrag wurde - mit freundlicher Genehmigung der Verlag Neue Wirtschafts-Briefe GmbH & Co. KG - der folgenden Publikation entnommen:

K. Jan Schiffer, Christian Rödl, Eberhard Rott (Hrsg.),
Haftungsgefahren im Unternehmen: Ein Handbuch für Unternehmer, Führungskräfte und deren Berater,
Verlag Neue Wirtschafts-Briefe, Herne, Berlin, 2004,
816 Seiten, ISBN 3-482-52671-0, EUR 88.00

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Autor

Dr. Christian Rödl, LL.M
Rödl & Partner GbR
Äußere Sulzbacher Straße 100
D-90491 Nürnberg
Telefon: +49 (0)911 91 93 - 210
Telefax: +49 (0)911 91 93 - 900
Internet: www.roedl.de
E-Mail: christian.roedl@roedl.de

Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
7. Jahrgang (2004), Ausgabe 2 (Februar)


Vervielfältigung und Verbreitung - auch auszugsweise - nur mit ausdrücklicher
schriftlicher Genehmigung des Krisennavigator - Institut für Krisenforschung, Kiel.
© Krisennavigator 1998-2024. Alle Rechte vorbehalten. ISSN 1619-2389.
Internet:
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Managerhaftung in Auslandsgesellschaften -
Ein Blick nach Großbritannien und in die USA

von Dr. Christian Rödl

Überblick

International operierende mittelständische Unternehmen ebenso wie multinationale Konzerne neigen dazu, Führungskräfte, regelmäßig auch als Mitglieder der Leitungsgremien von Konzernunternehmen in anderen Ländern einzusetzen. Zu dieser Lösung wird nicht immer deshalb gegriffen, weil der jeweilige Mitarbeiter tatsächlich den Auftrag erhalten soll, vor Ort Leitungsfunktionen wahrzunehmen. Vielmehr ist in nicht wenigen Fällen Auslöser auch die Verlegenheit, keinen lokalen Mitarbeiter für das Amt begeistern zu können oder für entsprechend vertrauenswürdig zu halten.

In nicht wenigen Fällen übernehmen Führungskräfte so Leitungsfunktionen im Ausland, ohne tatsächlich vor Ort Kontrolle ausüben zu können. Ihre Tätigkeit ändert sich weder inhaltlich noch räumlich. Mit diesem Verfahren sind aber in den Rechtsordnungen praktisch aller wichtigen Industrienationen persönliche Haftungsrisiken verbunden, deren sich nur wenige bewusst sind.

Auch wenn die im Ausland übernommene Leitungsfunktion tatsächlich mit einem dauerhaften Einsatz vor Ort verbunden ist, lohnen die Unterschiede zur deutschen Rechtslage eine nähere Prüfung der mit diesem Einsatz verbundenen besonderen Risiken. Nahezu alle Rechtsordnungen weltweit kennen Grundsätze der persönlichen Haftung von geschäftsleitenden Gesellschaftsorganen, die sich grob wie folgt zusammenfassen lassen:

Wichtig ist daher - neben der genauen Prüfung der im jeweiligen Land mit der gesellschaftsrechtlichen Organstellung verbundenen zivil- und strafrechtlichen Haftungsfolgen - die genaue Kenntnis der jeweiligen nationalen Praxis der Gerichte, vor allem soweit es um strafrechtliche Haftungsrisiken geht. So sind etwa in Frankreich mit der Position des Geschäftsleiters umfassende strafrechtlich bewehrte Pflichten insbesondere im Arbeitsrecht verbunden. Diese werden abhängig vom arbeitsrechtlichen Regelungsbereich auch tatsächlich regelmäßig verfolgt. In anderen Ländern konzentrieren sich in der Praxis Haftungsrisiken auf den Insolvenzfall. Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die Grundsätze der Managerhaftung in Großbritannien und in den USA gegeben.

Managerhaftung in Großbritannien

Wie kaum eine andere Rechtsordnung hat die Großbritanniens die weltweite Debatte um die Grundsätze guter Unternehmensführung (Corporate Governance) aufgenommen und – der hier großen Bedeutung börsennotierter Unternehmen entsprechend – in Regelungsvorhaben gegossen. Diese prägen die aktuelle Diskussion um Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Leitungsorgane britischer (börsennotierter) Unternehmen.

Dabei macht sich auch die Wirkung des angelsächsischen Einheitsprinzips – keine Trennung von Vorstand und Aufsichtsrat – bemerkbar. Erst im Rahmen dieser Debatte wurde durch den Gesetzgeber etwa nahegelegt, dass dem Leitungsgremium einer börsennotierten Gesellschaft mindestens drei Mitglieder angehören sollten, die nicht aktiv als bezahlte Mitarbeiter an der Geschäftsleitung der Gesellschaft teilnehmen, sondern Überwachungs- und Beratungsfunktion wahrnehmen sollten (non-executive directors).

Wer haftet?

Unter den dem englischen Gesellschaftsrecht bekannten Rechtsformen besitzt die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (private limited company, Ltd.) überragende Bedeutung. Nicht als eigene Rechtsform gegenüber dieser Limited, sondern im Wesentlichen allein hinsichtlich des Mindestkapitals anspruchsvoller ausgestaltet ist die Unterform der public limited company (plc). Deren Anteile können auch zum Börsenhandel zugelassen werden. Ob Limited oder plc, die Gesellschaft wird geleitet durch Geschäftsführer (directors), deren Zahl von den Gesellschaftern frei bestimmt werden kann. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, bilden sie gemeinsam das Leitungsgremium (board of directors).

Der daneben vorgeschriebene "secretary", der traditionell das Gesellschaftssiegel führt und dessen Stellung am ehesten mit der eines unternehmensinternen Notars verglichen werden kann, haftet in erster Linie für die Verletzung von Hinterlegungs- und Anzeigepflichten gegenüber dem Handelsregister (Companies House).

Zivilrechtliche Innenhaftung

Nach den Grundsätzen des richterrechtlichen "common law" ist der Geschäftsführer einer Gesellschaft ihr gegenüber zur sorgfältigen Wahrnehmung ihrer Interessen verpflichtet. Diese Verantwortlichkeit gilt grundsätzlich auch für solche directors, die nicht aktiv an der täglichen Geschäftsleitung teilnehmen. Die Haftung des Geschäftsführers trifft auch den faktischen Geschäftsführer, der als solcher handelt, ohne förmlich bestellt worden zu sein (shadow director). Für den anzuwendenden Sorgfaltsmaßstab haben englische Gerichte wiederholt festgestellt, dass maßgebend das ist, was nach der Einschätzung des Geschäftsführers – nicht nach derjenigen eines Gerichts – im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft liegt und dass Geschäftsführer nicht für bloße Fehleinschätzungen haften.

Der britische Gesetzgeber hat seit 1998 einen Diskussionsprozeß über die Pflichten von Geschäftsführern in Gang gesetzt, dessen aktueller Stand in Form einer Liste von künftig voraussichtlich kodifizierten Handlungsgrundsätzen vorliegt. Nach diesem Weißbuch der britischen Regierung sind davon u.a. folgende Pflichten erfaßt:

Es ist damit zu rechnen, dass diese Verpflichtungen in das britische Gesellschaftsgesetz Eingang finden werden. Die genauen Verantwortlichkeiten der Geschäftsführer im Innenverhältnis werden bislang aus den genannten allgemeinen Rechtsgrundsätzen des common law (Richterrecht) und den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages abgeleitet.

Beispiel: Der nach dem Gesellschaftsvertrag durch einen bestimmten Gesellschafter ernannte Geschäftsführer kann mit diesem Gesellschafter nicht vereinbaren, im Leitungsgremium nach dessen Weisungen abzustimmen, selbst wenn das Votum an sich nicht gegen die Interessen der Gesellschaft verstieße. Wohl aber kann er für den Abschluss eines Vertrages zwischen der Gesellschaft und einem Gesellschafter stimmen, aufgrund dessen die Geschäftsführer den Weisungen des Gesellschafters entsprechend stimmen müssen.

Zivilrechtliche Außenhaftung

Geschäftsführer haften grundsätzlich nur der Gesellschaft. Im Außenverhältnis ist ihre Haftung auf Fälle beschränkt, in denen sie – in Großbritannien nicht völlig außergewöhnlich – aufgrund entsprechender ausdrücklicher Zusage persönlich ausdrücklich für Verpflichtungen der Gesellschaft garantieren oder aufgrund ihres Verhaltens persönlich einem Dritten Schaden zufügen. Dies ist regelmäßig im Insolvenzfall relevant, auch dort aber praktisch selten durch außenstehende Gläubiger nachweisbar.

Der Abschluss von Managerhaftpflichtversicherungen (D&O Policies) ist in Großbritannien außerordentlich weit verbreitet. Für börsennotierte Gesellschaften wird inzwischen ein entsprechender mittelbar verbindlicher Standard gefordert. Berufsorganisationen für Company Secretaries haben detaillierte Handlungsempfehlungen zu Art und Umfang des gebotenen Versicherungsschutzes herausgegeben.

Strafrechtliche Haftung

Der Geschäftsführer einer Gesellschaft kann sowohl zivilrechtlich auf Schadensersatz als auch strafrechtlich u.a. in folgenden Fällen haften:

Managerhaftung in den USA

Das dem Vorbild Großbritanniens im Wesentlichen folgende System des Gesellschaftsrechts der USA und ihrer Bundesstaaten teilt mit dem britischen die traditionelle Zurückhaltung in der unmittelbaren Inanspruchnahme des Leitungspersonals. Diese Haltung wurde durch die Folgen des Enron-Falls - insbesondere durch das zu besonderer Bekanntheit gelangte Sarbanes-Oxley-Gesetz - nur in Einzelpunkten aufgegeben.

Wer haftet?

Neben den erst in jüngerer Vergangenheit entwickelten Gesellschaftsformen der Limited Liability Company (LLC) und der Limited Liability Partnership (LLP), deren Leitungsstruktur grundsätzlich durch die personengesellschaftliche Selbstorganschaft geprägt ist, besitzt gerade für ausländische Investoren die Corporation herausragende praktische Bedeutung. Das von den Gesellschaftern gewählte Leitungsgremium der Corporation (Board of Directors) bestimmt aus seinen Reihen einen Vorsitzenden (Chairman of the Board) und diejenigen Geschäftsleiter, die das Tagesgeschäft der Gesellschaft verantworten (Officers). Unter diesen werden regelmäßig ein "President", ein oder mehrere "Vice-Presidents", ein "Treasurer" und ein "Secretary" bestimmt.

Der President kann vorrangig vor den Directors in Anspruch zu nehmen sein. Beispiel: Der President einer Corporation veruntreut Mittel der Gesellschaft. Der Insolvenzverwalter hat vorrangig ihn, subsidiär die Directors in Anspruch zu nehmen. Die gleichzeitige Wahrnehmung eines Amts als Director und die Tätigkeit als Officer ist möglich, führt aber regelmäßig zu einem strengeren Sorgfaltsmaßstab.

Haftung im Innenverhältnis

Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben sind alle Directors bestimmten Sorgfalts- und Treuepflichten unterworfen, die auf die Wahrung der Interessen der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter gerichtet sind. Diese dem common law entnommenen Maßstäbe werden durch den ebenfalls richterrechtlich entwickelten Grundsatz eingeschränkt, dass Gerichte grundsätzlich unternehmerische Entscheidungen nicht in Frage stellen - vorausgesetzt das Management hat ein Mindestmaß an Anstrengungen unternommen, eine durch hinreichende Informationen fundierte Entscheidung zu treffen (Business Judgment Rule).

Für einen Verstoß gegen diesen Grundsatz wird regelmäßig mehr als nur einfache Fahrlässigkeit verlangt, maßgeblich ist die Sorgfalt eines durchschnittlich gewissenhaften Menschen. Ein haftungsauslösender Pflichtverstoß wird danach vor allem dann angenommen, wenn

Die Fälle der tatsächlichen persönlichen Inanspruchnahme auf dieser Grundlage sind, wie Untersuchungen in der Folge des Enron-Falls gezeigt haben, selten. Der Sarbanes-Oxley Act von 2002 hat insoweit die durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätze dennoch im Wesentlichen nur bestätigt. Es wird vor allem die Pflicht betont, als Mitglied des Leitungsgremiums einer Gesellschaft aktiv Erkundigungen über die tatsächlichen Verhältnisse und Grundlagen der eigenen Entscheidungen einzuholen. Danach wirken fehlendes Interesse an der tatsächlichen Wahrnehmung des Amts, fehlende Kenntnisse oder die wegen der Größe des Unternehmens kaum zu bewältigende Fülle der verfügbaren Informationen nicht haftungsbefreiend.

Für Directors und Officers von US-börsennotierten Unternehmen hat die gesetzliche Neuregelung erhebliche praktische Bedeutung insbesondere durch die Pflicht, bei der Securities and Exchange Commission (SEC) hinterlegungspflichtige Dokumente wie Jahresabschlüsse persönlich zeichnen und verantworten zu müssen. Beispiel: Die körperlich gebrechliche Mrs. Pritchard gehörte neben ihren beiden Söhnen dem Board of Directors an. Beide Söhne veruntreuten Mittel der Gesellschaft, indem sie sich Darlehen auszahlten, die die Umsätze der Gesellschaft bei weitem überstiegen. Diese wurden nie zurückgezahlt und hatten schließlich den Konkurs der Gesellschaft zur Folge. Das Gericht machte Mrs. Pritchard persönlich gegenüber den Gesellschaftern haftbar, weil sie "nicht die leiseste Anstrengung unternommen" hatte, ihr Amt effektiv wahrzunehmen.

Praxishinweis:

Für die persönliche Haftung der Directors gegenüber den Gesellschaftern
ist Voraussetzung nach dem Recht der meisten Bundesstaaten, dass der
Gesellschaft durch das Verhalten des Directors ein Schaden entstanden ist
(anders z.B. in New York).

Außenhaftung

Die Durchgriffshaftung auf Directors und Officers einer Gesellschaft durch einen außenstehenden Dritten ist nach dem Verständnis des US-amerikanischen Rechts grundsätzlich ausgeschlossen, soweit der Dritte nicht nachweist, dass

Anmerkung: Kein Ausschluss persönlicher Haftung bei ausdrücklich persönlicher Mitunterzeichnung eines Darlehensvertrages allein dadurch, dass der persönlichen Unterschrift der Hinweis "pres." angefügt wird.

Anmerkung: Für die Annahme einer eigenen schädigenden Handlung kann es ausreichen, dass der Director oder Officer die Handlung stillschweigend geduldet hat.

Nicht auf dieser Rechtsgrundlage, sondern auf der ungenügenden Kapitalausstattung der Gesellschaft oder dem Missbrauch der Gesellschaftsform für betrügerische Zwecke beruhen dagegen die Grundsätze der Durchgriffshaftung des Gesellschafters selbst ("piercing the corporate veil"). Die persönliche Haftung der Directors und Officers beruht auf der Verletzung eigener Verpflichtungen gegenüber dem Dritten. Nach denselben Maßstäben bestimmt sich die strafrechtliche Verantwortlichkeit.

Quelle

Dieser Fachbeitrag wurde - mit freundlicher Genehmigung der Verlag Neue Wirtschafts-Briefe GmbH & Co. KG - der folgenden Publikation entnommen:

K. Jan Schiffer, Christian Rödl, Eberhard Rott (Hrsg.),
Haftungsgefahren im Unternehmen: Ein Handbuch für Unternehmer, Führungskräfte und deren Berater,
Verlag Neue Wirtschafts-Briefe, Herne, Berlin, 2004,
816 Seiten, ISBN 3-482-52671-0, EUR 88.00

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Autor

Dr. Christian Rödl, LL.M
Rödl & Partner GbR
Äußere Sulzbacher Straße 100
D-90491 Nürnberg
Telefon: +49 (0)911 91 93 - 210
Telefax: +49 (0)911 91 93 - 900
Internet: www.roedl.de
E-Mail: christian.roedl@roedl.de

Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
7. Jahrgang (2004), Ausgabe 2 (Februar)

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